Dreizehn Tage by Elisabeth Schinagl

Dreizehn Tage by Elisabeth Schinagl

Autor:Elisabeth Schinagl
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783848277780
Herausgeber: Books on Demand
veröffentlicht: 2014-10-28T04:00:00+00:00


Media in vita in morte sumus.

(Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen)

8. Tag

Sichtlich beunruhigt öffnete ihm die Magd am nächsten Morgen die Tür. Anstatt ihn wie gewöhnlich in die Stube zu führen, zog sie ihn zur weiter hinten liegenden Schlafkammer Barbieris. Wie schon tags zuvor stieß sie dabei ihm unverständliche, aber erkennbar erregte Worte hervor, darunter immer wieder das rätselhafte Tschulelmo, für das Antonio noch immer keine Erklärung hatte.

Barbieri ging es schlecht, man brauchte kein Heilkundiger sein, um das zu erkennen. Unruhig wälzte er sich im Bett hin und her, der Schweiß stand ihm auf der Stirn, seine Lippen waren rissig und trocken. Ob er Schmerzen hatte?

Hilflos stand Antonio an seinem Bett. Barbieri flüsterte erregt, Fieberträume schienen ihn heimzusuchen. Giulielmo hörte ihn Antonio immer wieder leise rufen, Tschulelmo echote die Magd.

War es das, was sie ihm die ganze Zeit mitteilen wollte? Dass Barbieri von einem Antonio nicht bekannten Giulielmo träumte? Im Moment war keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Barbieri brauchte Hilfe. Er selbst konnte hier nichts ausrichten, die alte Magd offensichtlich ebenso wenig. Ein Arzt musste her, so schnell wie nur möglich! Aber die Magd machte keine Anstalten einen zu holen. Oder hatte sie schon nach einem geschickt und erwartete dessen Ankunft jeden Moment? Antonio konnte sie nicht fragen. Er kannte nicht einmal das deutsche Wort für Medico.

Medico wandte er sich in seiner Not eindringlich an sie: Medico?! Tatsächlich schien sie zu begreifen, was er sagen wollte. Medico – Doktor antwortete sie und mehr noch: Sie schien seine verzweifelte Frage als Anweisung zu verstehen, eine Anweisung, der sie fast erleichtert gehorchte.

Medico – Doktor rief sie ihm noch vom Hausgang her zu, bevor sie sich auf den Weg machte.

Plötzlich war Antonio mit dem kranken Barbieri allein. Was, wenn der Signore jetzt stürbe? Wenn der Arzt keine Zeit hatte, nicht zu Hause war oder ganz einfach zu spät kam? Er konnte sich nicht erinnern, sich jemals so hilflos gefühlt zu haben. Der Schweiß stand Barbieri auf der Stirn und dennoch schien er vor Kälte zu zittern.

„Signore, habt keine Angst. Ich habe schon nach dem Arzt geschickt. Er wird sicher jeden Moment da sein. Es wird bestimmt nicht mehr lange dauern, Signore. Er wird Euch helfen.“

Beschwörend wiederholte Antonio diese Worte immer und immer wieder. Er war sich eigentlich sicher, dass Barbieri ihn nicht hörte, aber er konnte nicht still dasitzen, musste irgendetwas tun, um seiner eigenen Hilflosigkeit nicht völlig ausgeliefert zu sein.

Wo nur die Magd so lange blieb? Selbst um die Gesellschaft dieser Alten wäre er jetzt froh gewesen. Auch wenn sie ihn nicht verstand, so war sie doch ein lebendiger Mensch und hätte ihn durch ihre bloße Gegenwart von dieser schrecklichen Schwelle des Todes abgeschirmt, zu der ihn alles in dieser Kammer hin zerren wollte. Wie gerne wäre er hinaus gerannt. Hinaus aus dieser Kammer, hinaus aus diesem Haus, hinaus auf die Straße, wo Menschen gingen, lachten, redeten, dorthin, wo das Leben war, während in dieser Kammer die Zeit selbst still zu stehen schien.

Doch so gerne er auch ein Teil dieses Lebens da draußen gewesen wäre – er konnte nicht.



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